Gesundheit ist systemrelevant Oder: weniger Geldgewinn ist mehr Gewinn an Gesundheit

Was wir uns nichtmehr leisten wollen

In der Corona-Pandemie ist es überdeutlich geworden, es gibt eine Unzahl an Missständen in deutschen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten: für die Kranken und Pflegebedürftigen und genauso für das Personal. Zuerst haben die Masken gefehlt, dann Beatmungsgeräte oder das Gas dazu und Desinfektionsmittel. Operationen mussten verschoben werden. Das Personal war heillos überfordert, viele von ihnen mussten selbst in Quarantäne oder waren krank. Kontaktverbote der Angehörigen taten ihr übriges. Die neueste erschreckende Nachricht ist, dass Betten und Personal in den Kinderabteilungen fehlen, weil vermehrt Kinder mit virusbedingten Atemwegserkrankungen eingeliefert werden. Ärzt*innen aus den Kinderkliniken schlagen Alarm.

Aber nicht nur in außergewöhnlichen Notfällen krankt unser Gesundheitssystem selbst. Immer mehr Medikamente muss man selbst bezahlen. Oder – schlimmer – sie sind nicht erhältlich. Auf Arzttermine müssen wir nicht selten ein Vierteljahr warten oder wer weiter weg auf dem Land wohnt, für den/die sind Ärzte kaum schnell zu erreichen. In vielen Kliniken gibt es keine Notaufnahme mehr.

Dass Gesundheit und ein funktionierendes Gesundheitssystem systemrelevant ist, das ist vielen – die es bisher ausgeblendet hatten, spätestens während dieser Pandemie deutlich geworden. Wir sind zu lang in die falsche Richtung gefahren.

Was muss geschehen

Auf jeden Fall muss für lebensnotwendige Gesundheits-Artikel, medizinisches Gerät und Instrumente unabdingbar gelten: Im Notfall müssen Sie auch verfügbar sein. Deshalb muss eine einheimische Produktion oder ein schnelles Hochfahren der einheimischen Produktion an unentbehrlichen Gesundheits-Artikeln gesichert werden. Das bedeutet: globalisierte Lieferketten sind nichts für das Gesundheitswesen.

Um die krankmachenden Arbeitsbedingungen an Kliniken, Reha- und Pflegeeinrichtungen zu beenden, braucht es dringend genügend Fachpersonal, das Zeit für Patienten hat. Das bedeutet: mehr Personal. Dazu sind Mindestgrenzen für die Personalausstattung pro Patient*in erforderlich, die die Politik festlegen muss. Dafür müssen die Gesundheitseinrichtungen vor allem mit genügend finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Genauso gehört dazu, dass die Verdrängung von Ost nach West, von Süd nach Nord für billigeres Personal aus Osteuropa und anderen Ländern aufhören muss. Auch deutsche Ärzt*innen sind abgewandert in großer Zahl wegen der Arbeitsbedingungen hierzulande z.B. in die Schweiz oder nach England. Von ihrem Gehalt sollen Gesundheitsarbeiter ordentlich leben können. Die Löhne müssen deutlich angehoben werden. Alles Personal – Männer und Frauen, alle Nationalitäten – muss gleich bezahlt werden. Die Bezahlung und Eingruppierung sollte nach Wichtigkeit für die Gesellschaft bestimmt werden. Auch da ist die Politik gefragt.
Weiters brauchen wir mehr Ausbildungsplätze, Fortbildung u.ä., weil dadurch mehr qualitative Arbeitsfelder im Beruf erschlossen und ermöglicht werden.
Die teure Regelung für Hebammen in den Sozialversicherungen, die noch nicht lange gilt und weswegen viele praktizierende Hebammen ihre Praxis aufgeben mussten, braucht andere Grundlagen. Auch das Auslagern der Geburtsmedizin aus den Krankenhäusern muss aufhören. Kein Kaputtsparen mehr!

Eine ganzheitliche Organisation in Krankenhäusern, die alles überblicken kann, ist wichtig, wenn es um Gesundheit geht, damit alle Verrichtungen flexibel aufeinander abgestimmt werden können und dafür direkt miteinander kommuniziert werden kann, um keine Lücken entstehen zu lassen. Daher muss die Verantwortung in den Gesundheitseinrichtungen in einer Hand (selbstverständlich auch gern eines Teams) liegen. Die Ausgliederung und Privatisierung einzelner Dienste ist zurückzunehmen. Die Annahme, Privatisierungen funktionierten besser, ist längst durch die Praxis widerlegt.

Multinationale Krankenhauskonzerne betreiben oft Spezialkliniken in großen Zentren, die nur ganz bestimmte Operationen durchführen. Oft wird zuviel und zu früh operiert. Konventionelle Behandlungen erhalten oftmals länger ein Gelenk usw., sie dauern eben länger und bringen weniger Geld ein. Wichtiger ist aber das Interesse der Patient *innen. Für Notfallversorgung fühlen diese Konzerne sich nicht zuständig, obwohl sie große Gewinne einfahren. Es muss gelten: In jeder Klinik muss für jeden Menschen eine erste medizinische Versorgung im Notfall zwingend gesichert sein. „Privaten“ Konzernen können zugestandene Vorrechte auch wieder entzogen werden. Gesundheit ist wichtiger als Geld.

Wenn es um Krankenversorgung geht, sind lange Anfahrtswege ein Unding. Eine schnelle Versorgung muss gewährleistet sein. Das bedeutet: mehr Krankenhäuser in erreichbarer Nähe, vor allem auch in ländlichen Gebieten.

Die unseligen Fallpauschalen müssen abgeschafft werden, aufgrund derer die Fälle – das sind die Kranken – schnell wieder entlassen werden müssen, um neue aufzunehmen, die dann eine neue Pauschale an Geld für die Klinik einbringen. Diese Fallpauschalen waren – nicht zu vergessen – eine Idee unseres jetzigen Gesundheitsministers Lauterbach, als er noch Berater der vorherigen Gesundheitsministerin war. Da von den Krankenkassen nur belegte Krankenhausbetten-Zeiten bezahlt werden, wurde deshalb die Anzahl der Betten in den Kliniken in den letzten Jahren massiv abgebaut. Daher gibt es dann keine Reserven in Notzeiten und für Notfälle (z.B. Pandemien). Fallpauschalen gelten auch für Arztpraxen. Die Krankenkassen bezahlen ihnen derzeit 20Minuten je Patient*in, egal wie komplex der Fall ist. Sie haben ein festes Budget (Das legen auch die Krankenkassen fest), was darüber hinausgeht, müssen Ärzt*innen aus eigener Tasche bezahlen. Außerdem wird ihnen vorgeschrieben, wieviel Patient*innen sie mindestens behandeln müssen. Oft müssen sich Ärzt*innen gegängelt vorkommen.

Generell muss erreicht werden, dass die großen, mächtigen Finanzinstitutionen, wie IWF (Internationaler Währungsfond), WTO (Welthandelsorganisation), Weltbank, die Europäische Zentralbank (in alle diese hinein nicht demokratisch gewählt wird!), sich mit ihren Methoden und zwingenden Auflagen aus dem Gesundheitsbereich heraushalten – gerade auch in armen Ländern. In diesen Ländern dürfen Einrichtungen im Gesundheitsbereich noch einmal mehr nicht für Privatisierungen zur Verfügung stehen.
Die Bedeutung der der Vereinten Nationen (UN) hat in den letzten Jahren abgenommen, weil ihre Empfehlungen und die der Weltgesundheitsorganisation (WHO, eine Organisation der UN) von den großen Nationen oft übergangen wurden. Daher ist es von besonderer Bedeutung, Vertrauen in die WHO zurückzugewinnen. Auch durch die WHO zugelassene Medikamente und Impfstoffe aus dem globalen Süden sollten in allen Ländern weltweit vertrieben werden können: kein Impfkolonialismus und kein Schlechtreden von im Süden entwickelten Methoden.
Für ärmere Länder ist auch besonders wichtig, dass Krankentransporte auf jeden Fall mit einsatzbereiten Fahrzeugen ermöglicht werden und Zufahrtswege ohne Umwege zugänglich sind (Keine großflächigen dazwischenliegende Verpachtungen von Ländereien, sog. Landgrapping, an Konzerne!).

Es muss gelten: Das Recht aller auf gleichen Zugang zu allen Gesundheitsmöglichkeiten

 

  • Was meint ihr? Was sollte als systemrelevant gelten?
  • Wie sollte Systemrelevantes mit strukturellen Rahmenbedingungen und finanziell ausgestattet sein?

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Bildnachweis: Parentingupstream auf Pixabay

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