Freihandel ist ein Klimakiller, Mercosur ist ein Musterbeispiel

Freihandelsverträge hebeln künftige Klimaschutzmaßnahmen aus, schützen klimaschädliche Investitionen und befeuern (wörtlich) selbstmörderische Agrarpraktiken. Das EU-Assoziationsabkommen mit dem Mercosur ist ein Frontalangriff auf bäuerliche Landwirtschaft, Menschenrecht, Umwelt- & Klimaschutz.   Neoliberale Handelspolitik killt das Klima Im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 verpflichteten sich die Staaten auf konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz. Die EU-Kommission sorgte bei den Verhandlungen jedoch dafür, dass eine ausdrückliche Erwähnung von Handelsfragen vermieden wurde. Gleichzeitig verhandelt und beschließt die EU-Kommission am laufenden Band Freihandels- und Investitionsschutzabkommen, deren Vorgaben einem effektiven Klimaschutz meistens im Wege stehen. Diese Abkommen verfolgen das Ziel, den internationalen Handel durch den Abbau von Zöllen und sogenannten „nicht-tarifären Handelshemmnissen“ zu begünstigen und auszubauen. Die Klimaverträglichkeit der Handelswege und -waren spielt dabei keine Rolle, Klimaschutz wird grundsätzlich als potenzielles Handelshemmnis angesehen. Somit stehen die Freihandelsabkommen in einem grundsätzlichen Konflikt mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens. Denn um die Pariser Klima-Ziele zu erreichen, müssten stattdessen Transportwege verkürzt und regionale Wirtschaftskreisläufe ausgebaut werden. Der Handel mit Produkten und Rohstoffen, die eine klimaschädliche Wirkung haben, müsste erschwert statt erleichtert werden. Handelsabkommen hemmen die Agrar- und Verkehrswende Etwa ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen wird von der Landwirtschaft verursacht, etwa ein Siebtel vom Verkehr. Um die Klima-Krise einzudämmen, müssen beide Sektoren grundlegend umgebaut werden. Für den Agrarsektor heißt das beispielsweise, die industrielle Tierhaltung zu reduzieren sowie Waldrodungen für die Ausweitung von Soja-Anbauflächen zu stoppen. Forderungen für die Verkehrswende beinhalten die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs sowie den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor. Aktuelle Handelsabkommen haben den gegenteiligen Effekt, beispielsweise das EU-Mercosur-Abkommen mit vier südamerikanischen Ländern: Im Gegenzug für Zollsenkungen auf europäische Autos und Autoteile sieht es eine Steigerung der Exporte von südamerikanischem Rind- und Geflügelfleisch, Zucker sowie auf Zuckerrohr und Soja basierenden Agrartreibstoffen vor. Für den Import von Soja, auf das die europäische Massentierhaltung angewiesen ist, werden Standards abgesenkt. Dabei sind Soja-Erzeugung und Rinderhaltung zwei der größten Treiber der Entwaldung im Amazonas- und angrenzenden Savannengebiete; traurige Realität, die verheerenden Brände im Amazonasgebiet. Das EU-Mercosur-Abkommen wird die Abholzung von Wäldern in Südamerika zugunsten von Rinderhaltung und Sojaproduktion verstärken und umgekehrt den Export klimaschädlicher Autos nach Lateinamerika steigern. Auch andere EU-Abkommen wie CETA (mit Kanada) oder JEFTA (Japan) weiten durch Maßnahmen wie Zollabbau den internationalen Handel mit Agrargütern aus und verschärfen den Preiskampf auf den Weltmärkten. Die Folge: Wer am günstigsten produzieren kann, gewinnt. Vorgaben zur nachhaltigen Produktion von Agrargütern werden hierbei nur als störende Handelshemmnisse wahrgenommen, die möglichst minimiert werden müssen. Diese Handelsabkommen sind existenzvernichtend für Kleinbauern weltweit, die ja das Rückgrat einer gesunden Ökologie sein können und laut Weltklimarat (IPCC) in seinem Sonderbericht-Landnutzung vom August 2019 auch sein müssen. Klimaschutz als unverbindliche Randnotiz Aktuelle EU-Handelsabkommen wie CETA, JEFTA und MERCOSUR erwähnen Klimaschutz, schreiben aber nichts vor. Beispiel MERCOSUR: Darin verpflichten sich die Vertragsparteien, das Pariser Klimaschutzübereinkommen wirksam umzusetzen und bei den Klimaaspekten des beiderseitigen Handels zusammenzuarbeiten. Jedoch wenn sich ein Land nicht an die Klimaschutzvereinbarungen hält, droht höchstens die Einsetzung einer Expert*innenkommission – die selbst nur unverbindliche Empfehlungen aussprechen kann. Ähnlich CETA: Der Vertrag enthält lediglich eine Empfehlung für enge Zusammenarbeit beim Klimaschutz, aber keinerlei Durchsetzungsmechanismen. Der Vertrag wiederholt im Wesentlichen die Verpflichtungen, die die EU und Kanada ohnehin schon eingegangen sind, ohne konkrete Maßnahmen zu ergänzen oder Sanktionen vorzuschreiben. Investitionsschutz auch für klimaschädliche Investitionen Ganz im Gegensatz zum Klimaschutz, der nicht eingeklagt werden kann, sind die in vielen Handels- und Investitionsschutzabkommen enthaltenen Investorenrechte einklagbar. Auch sind Investitionen in fossile Energieträger ohne Wenn und Aber geschützt. Konkret heißt das: Wenn ein ausländischer Investor seine Gewinne bedroht sieht, weil ein Staat beispielsweise neue Klimaschutzregulierungen einführt, kann er vor internationalen Schiedsgerichten „Entschädigungszahlungen“ in horrender Höhe verlangen. Beispiel: der deutsche Energiekonzern Uniper wird die Niederlande vor einem internationalen Schiedsgericht wegen Abschaltung eines Kohlekraftwerks verklagen. Rechtliche Basis dafür ist ein Investitionsschutzabkommen im Energiebereich. Ähnliche Klagen gegen die Einschränkung fossiler Energieträger drohen auch auf Basis der CETA- oder EU-Singapur-Abkommen, sobald diese vollständig ratifiziert wurden. Liberalisierungsverpflichtungen und Neutralitätsvorgaben behindern Klimapolitik Aktuelle Handelsabkommen der EU enthalten umfassende Liberalisierungsverpflichtungen: In der Regel müssen alle Dienstleistungen, die nicht explizit als Ausnahme genannt werden, für den Markt geöffnet und alle Investoren gleichberechtigt behandelt werden. Dies stellt eine weitere Einschränkung für Klimapolitik dar. Ganz gefährlich: Diese Handelsabkommen schreiben eine Gleichbehandlung aller Energieträger vor, daher dürfen zum Beispiel erneuerbare Energien nicht begünstigt oder das dreckige Öl aus Fracking nicht benachteiligt werden. Für einen klimafreundlichen und global gerechten Welthandel! Um die Klima-Krise zu beenden, muss auch die Handelspolitik umfassend umgestaltet werden. Attac und das Netzwerk Gerechter Welthandel treten ein für eine Handelspolitik, die den Menschen, der Umwelt und dem Klima Vorrang geben vor den Interessen internationaler Konzerne und Investoren. Hinweis: Dieser Text ist eine gekürzte und leicht veränderte Fassung des folgenden Papiers: www.gerechter-welthandel.org/2019/09/16/neoliberale-handelspolitik-killt-das-klima/ Das Originalpapier enthält detailliertere Angaben zu den hier gen. Themen, Quellen sowie erste Vorschläge für die klimafreundliche Umgestaltung des Welthandels. Bitte dort nachlesen! ============ Für Informationen zum EU-Mercosur-Abkommen empfehlen wir folgende Dokumentation von Powershift vom Juni 2018: Das EU-Assoziationsabkommen mit dem Mercosur: Frontalangriff auf bäuerliche Landwirtschaft, Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz   … sowie folgenden Kommentar von Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender Bundesvorsitzender des BUND, vom 27.08.19 Das Mercosur-Abkommen ist ein Brandbeschleuniger für den Amazonas: Die Bunderegierung muss das Handelsabkommen stoppen Das Mercosur-Abkommen wirkt als Brandbeschleuniger für das Amazonas-Gebiet. Das Handelsabkommen zielt hauptsächlich darauf ab, brasilianische Soja- und Rindfleischexporte weiter anzukurbeln, die schon heute die Tropenwälder zerstören und deren Ausweitung die letzten Wälder in den Mercosur-Staaten bedroht. Die Bundesregierung muss sich deshalb deutlich gegen das Mercosur-Abkommen positionieren, anstatt Krokodilstränen zu vergießen. Frankreich und Irland haben das Mercosur-Abkommen angesichts der Waldbrände und der Reaktionen der Regierung Bolsonaros bereits in Frage gestellt. Unser Haus steht in Flammen, die Heimat von Tausenden von Menschen wird zerstört, die Klimakrise und das Artensterben schreiten weltweit in atemberaubendem Tempo voran. Es ist skandalös, dass die Europäische Union in diesen Zeiten weiterhin klima- und biodiversitätsschädliche Handelsabkommen wie Mercosur mit Regierungen abschließen will, die Menschenrechte mit Füßen treten. Aktuell ist es in Brasilien der rechtsradikale Präsident Bolsonaro: Mit seiner Politik fördert der brasilianische Präsident die gewaltsame und illegale Landnahme, statt diese zu bestrafen, und treibt so die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes weiter voran. Wenn Bolsonaro nun trotz seines Handelns mit dem Abschluss eines neuen Handelsabkommens belohnt wird, wird er es geradezu als Ermutigung empfinden, seinen zerstörerischen Kurs fortzusetzen. Deshalb ist es unverständlich, wenn die Bundeskanzlerin sich jetzt einerseits um die Waldbrände am Amazonas-Regenwald sorgt und andererseits an dem Mercosur-Abkommen festhält. Das Nachhaltigkeitskapitel des Mercosur-Abkommens ist zahnlos und kann daher keine Wirkung für den Schutz von Umwelt und Menschenrechten entfalten. Zuletzt gab es Forderungen, das Abkommen nachzuverhandeln. Zwar wäre ein Nachhaltigkeitskapitel mit ergänzten Sanktionsmöglichkeiten von Verstößen gegen Umweltschutz und Menschenrechte grundsätzlich sinnvoll. Dies würde jedoch nichts an der zugrundeliegenden Logik des Abkommens ändern: Das Ziel wäre weiterhin, eine Ausweitung des Handels mit Produkten um jeden Preis voranzutreiben, die zur Regenwaldzerstörung beitragen.“ Hintergrund: Die Handelsverhandlungen der Europäische Union (EU) mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay haben bereits im Jahr 1999 begonnen. In dem Abkommen verfolgt die EU vor allem das Ziel, europäische Autoexporte zu erhöhen. Den Staaten Südamerikas geht es hauptsächlich darum, ihre Agrarexporte auszuweiten. Schon zur WTO-Ministerkonferenz 2017 in Buenos Aires sollte das Abkommen verhandelt sein. Ende Juni 2019 wurde am Rande der G20-Konferenz eine politische Einigung verkündet. Ein vollständiger und rechtlich geprüfter Text des Abkommens liegt noch nicht vor.   Bildnachweis: „Amazon / Amazonia / area after burned / área apos queimada ” by A. Duarte, licensed under CC BY-SA 2.0