Attac ist gemeinnützig – auch wenn der Bundesfinanzhof das anders sieht …

Nach fünf Jahren juristischen Streit über Attacs Gemeinnützigkeit hat sich das höchste deutsche Finanzgericht am 26.02.19 gegen Attac entschieden. Das ist ein verheerendes Signal, auch für alle zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich kritisch zu politischen Themen wie Steuerflucht, Freihandel, Asylpolitik, oder Rechtspopulismus äußern.

„Die Entscheidung gegen Attac ist ein schlechter Witz“ Heribert Prantl, Süddeutscher Zeitung, 27.02.19

1. Das Urteil und der Hintergrund Am Dienstag (26.02.) hat das höchste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH), ein verheerendes Signal für Attac und für alle zivilgesellschaftlichen Organisationen gesandt. Am vorläufigen Ende eines seit fünf Jahren andauernden Streits über unsere Gemeinnützigkeit urteilte der BFH, dass die Grenzen für politisches Engagement für gemeinnützige Organisationen viel enger zu setzen seien, als 2016 durch das Hessische Finanzgericht geschehen – welches unsere Gemeinnützigkeit damals ohne Wenn and Aber bestätigt hatte. Der Streitfall wurde jetzt vom BFH an die Unterinstanz zurückverwiesen mit der Maßgabe, ihn neu nach den engeren Grenzen zu entscheiden. Das Ergebnis ist absehbar. Kern des BFH-Urteils ist die ungeheuerliche Feststellung: „Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung … erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck“. Die Arbeit von Attac sei zu „tagespolitisch“, so die Richter des BFH. Das ist eine schockierende Einschätzung für alle, die aktiv außerhalb der politischen Parteien für eine bessere Welt eintreten. Deshalb müssen nun alle Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich zu Themen wie Steuerflucht, Asylpolitik, Rechtspopulismus oder Freihandel äußern, um ihre Gemeinnützigkeit fürchten. Positive Veränderungen beginnen jedoch immer damit, ein öffentliches Bewusstsein für ein Problem zu schaffen sowie dafür Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dazu bedarf es der Mitwirkung der Menschen am gesellschaftlichen Diskurs und eine informierte Öffentlichkeit, die von der Politik Transparenz einfordern sowie z.B. die Lobbymacht der finanzstarken Konzerne öffentlich machen kann. Und genau das macht attac seit seiner Gründung: Seit dem Jahr 2000 betreiben wir aktive Aufklärung und Kampagnen, u.a. für Steuergerechtigkeit, für globale soziale Rechte, für gerechten Welthandel, für ein nachhaltiges und klimaverträgliches Wirtschaftssystem und für vieles mehr. Und das soll nicht gemeinnützig sein? Dagegen wird die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik, die die Rüstungslobby vertritt, als gemeinnützig eingestuft. Genau wie der Förderverein der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die von Arbeitgeberverbänden getragen wird. Die Stiftung Familienunternehmen hat von dem eingesparten Geld im Interesse ihrer Mitglieder eine Kampagne gegen die Erbschaftsteuer für Unternehmer gemacht. Und diese Organisationen sollen – im Gegensatz zu Attac – gemeinnützig sein? Weitere Informationen zum juristischen Vorgang findet ihr / finden Sie hier auf der attac-Homepage; noch mehr Details dazu gibt es auf der Hintergrund-Seite. 2. Reaktionen auf das Urteil
  • Attac selbst hat folgende Presseerklärung dazu herausgegeben. Zudem hat unsere Pressesprecherin Frauke Distelrat folgendes Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) geführt.
  • Eine der eindringlichsten Verurteilungen des Urteils erfolgt in diesem Video von Heribert Prantl von der SZ, einem der angesehensten Journalisten der Republik. Prantl nennt das Urteil u.a.: „eine befremdliche, eine ungute, eine falsche Entscheidung … eine Entscheidung gegen die bunte und vielfältige Demokratie, gegen die Zivilgesellschaft … diese Entscheidung ist vordemokratisch“.
  • Weitere Presseerklärungen dazu sind hier zu finden.
  • Solidaritätserklärungen von Organisationen, u.a. von BUND, Greenpeace, Pro Asyl, Grüne Jugend, Mehr Demokratie, sowie auch von Einzelpersonen, sind hier
3. Was kann jeder / jede tun? Diese Entscheidung erschwert unsere Arbeit, das steht außer Frage. Dies gilt nicht nur einfach deshalb, weil Spenden an Attac steuerlich nicht mehr absetzbar sind; so erläutert Frauke Distelrath von Attac im Interview oben, dass gemeinnützige Vereine uns bei Kongressen u. ä. nicht mehr finanziell unterstützen dürfen; auch dürfen manche Räume wie z.B. Schulen nur an gemeinnützige Organisationen für Veranstaltungen vergeben werden – und somit nicht mehr an uns. So musste z.B. die Attac-Sommerakademie letztes Jahr abgesagt werden, weil keine passenden Räume gefunden werden konnten. Deswegen unsere bitte an Sie / Euch: Jetzt erst recht: Bleibt Attac bitte auch nach dieser unsäglichen Entscheidung treu! Wenn Ihr noch kein attac-Mitglied seid, dann wäre es vielleicht überlegenswert, Mitglied zu werden. Und  unterstützt uns weiterhin ideell, aktiv  und – wenn möglich – auch finanziell mit einer Spende – denn wir haben noch einen langen Weg vor uns zu einer besseren und gerechteren Welt. Attac-Stuttgart     Foto Beitragsbild: attac Deutschland