AG Wir haben genug: Wasser ist Lebensgrundlage – aber nicht grenzenlos

Wasser ist ein unerschöpfliches Thema. Es ist quicklebendig, erfüllt alles, ist in nahezu jedem Lebens-, Kultur-, Wirtschafts-, Sozial- und Umweltzusammenhang von Bedeutung. Vielleicht ist es gerade durch die Universalität seiner Erscheinungsformen ganz besonders geeignet, uns an die Grenzen des Wachstums zu erinnern. Ganz vorneweg und unausweichlich kommt die Auswirkung in den Blick, die Wasser vor dem Hintergrund des Klimawandels auf unsere Lebensbedingungen hat. Wasser, so will es sein Charakter, sucht den Ausgleich und das Gleichgewicht, das macht es zu einem überaus sensiblen Anzeiger für alle Entwicklungen, bei denen sich Fehler im Umgang mit unseren Ressourcen, Methoden, Abhängigkeiten abzeichnen. Die Zeichen sind klar: Gletscher-, Permafrost und Polarschmelze bedrohen die geologische Stabilität, setzen klima- und gesundheitsschädliche Methanablagerungen frei und lassen weltweit die Meeresspiegel ansteigen. „Hurricanes, tornadoes, fire, floods“, fasst es die amerikanische Opernsängerin und Aktivistin Joyce DiDonato treffend zusammen (siehe: https://www.youtube.com/watch?v=LPqeYCWx1wo). Sie hängen alle mit einem Zuviel oder Zuwenig an Wasser über das seit Jahrtausenden austarierte Maß hinaus zusammen. Die Meeresverschmutzung mit Plastikmüll hat in den knapp 100 Jahren seit der Entwicklung von Kunststoffen durch den unverantwortlichen Umgang der Wachstumsgesellschaften damit unvorstellbare Ausmaße erreicht. Die Rücksichtslosigkeiten wechseln: früher waren das Verklappen von Titanoxid oder der Verlust von Schweröl auf den Routen der internationalen Seeschifffahrt die hauptsächlichen Probleme, nun ist es die Einleitung von Chlor aus den neuen LNG-Terminals ins Weltnaturerbe Wattenmeer, oder von radioaktiv verseuchtem Kühl- und Löschwasser aus der Reaktorruine ins Meer vor Fukushima. All das zusammen schafft die denkbar schlechtesten Bedingungen für den Erhalt des biologischen Gleichgewichts der Meere. Wasser ist in der Lage, viele für das Leben auf der Erde bedrohliche Entwicklungen abzumildern. Es nützt seine spezifischen Kreislauf- (Hydraulik) und Fließeigenschaften (Kymatik). Die Funktionswunder des Wassers – Verdunstung, Tau, Kapillarwirkung, Osmose – legen lange Zeit einen Schutz um die Lebensformen, es ist wirklich unser Lebenselixier. Aber auch seine Wirkkraft hat ihre Grenzen.

Wasser für alle – oder Privateigentum?

Wasser verbindet. Es ist und war aber zu allen Zeiten auch ein Herrschaftsinstrument. Der aus der Rätebewegung kommende deutsch-amerikanische Soziologe Karl August Wittvogel hat in seinen Untersuchungen die klassische Strategie der Kontrollausübung mittels Vernetzung durch Wasserwege (Kanäle) im alten China hervorgehoben (in: „Die orientalische Despotie. Eine vergleichende Untersuchung totaler Macht“). Bis heute verleitet Habgier Staaten, Unternehmen, Konzerne und Shareholder zu diesem Wunsch nach Kontrolle, die sie in aller Regel durch sog. Privatisierung anstreben. Getränkeriesen wie Coca-Cola oder Nestlé versuchen alpine Gebirgsquellen aufzukaufen, um aus dem Wasser, das allen gehört und ein Gemeingut ist, ein Handelsgut mit kapitalistischer Verwertung zu machen. 200 Jahre kapitalistischen Profitstrebens haben die schöne Utopie eines Matthias Claudius, „als wären alle Güter der Welt Wasser, das Gott für alle geschaffen hat“ (1777), grundsätzlich pervertiert. Aus Teilen ist Zuteilen geworden. Lange Zeit wurden Kommunalparlamente durch falsche Versprechungen dazu verführt, über sog. „Cross Border Leasing-Modelle“ Klärwerke und Abwasserkanäle, ihr Tafelsilber und klassische „Kontrollfelder“, an Investoren mit Gewinninteressen zu übereignen (sog. Privatisierung). Konkurrierende Staaten wiederum graben sich mit Staudämmen gegenseitig im wahrsten Wortsinn das Wasser ab. Das geschieht so beim gigantomanischen südosttürkischen Ilisu-Staudamm-Projekt in der Region Diyarbakir am Oberlauf des Tigris, wo Wasser wahrscheinlich eines Tags ganz bewusst als Waffe gegen die weiter unten siedelnde kurdischstämmige Bevölkerung im Nordirak eingesetzt werden wird (1). Ein ähnlich gelagerter Konflikt um Wasser besteht im von Israel besetzten palästinensischen Westjordanland. Ein großes, im Prinzip für alle ausreichendes, aber dennoch begrenztes unterirdisches Wasserreservoir, das „Mountain Aquifer“, ist in Verträgen ungleich verteilt (20 % für die palästinensische, 80 % für die israelische Bevölkerung innerhalb und außerhalb der Westbank). Die zunehmende Zerstückelung des Gebiets verhindert mehr und mehr den Aufbau einer intelligenten, zusammenhängenden Wasserinfrastruktur (siehe: https://www.amnesty.ch/de/ueber-amnesty/publikationen/magazin-amnesty/2022-2/besetztes-wasser). Beispiele für Wasserbegehrlichkeiten und -konflikte gibt es überall auf der Welt, die Wasserungerechtigkeit beruht wie der Hunger fast durchgehend auf Verteilungsproblemen. Die Folgen sind der Rückgang von Grundwasser, landschaftliche Verödung, Unterentwicklung. Laut UNICEF wächst jedes dritte Kind weltweit mit Wasserknappheit auf. Die meisten Todesfälle gibt es bei Kindern unter 5 Jahren aufgrund Wassermangel, etwa durch resultierende Durchfallerkrankungen, weil sie verschmutztes Wasser trinken (siehe: https://www.deutschlandfunk.de/wissenschaft-im-brennpunkt-102.html).

Die Gesetzmäßigkeiten des Wassers – eine Hilfe, Auswirkungen zu verstehen

Die Wissenschaft der Kymatik, der Lehre von den Fließbewegungen von Flüssigmedien, ist eine noch relativ junge Wissenschaft. Einer ihrer Begründer, der Österreicher Viktor Schauberger, bezeichnete einmal als kymatisches Grundinteresse das Beobachten, nicht das interessegeleitete Forschen, und sich selbst als Wasserbeobachter, nicht als Wasserforscher. Die Kymatik ist die Basis aller Bestrebungen etwa zur „Re“-Naturierung und „Re“-Rhythmisierung von Flussläufen, wie sie längst Eingang in die Wasser(schutz)konzepte der Öffentlichen Hand gefunden haben. Schon in der rücksichtsvollen, hinschauenden Herangehensweise zeigt sich die Verwandtschaft mit den Modellen der „angepassten Ökonomie“ E.F. Schumachers und der „Degrowth-Bewegung“, weshalb der kymatische Ansatz ideal für die Erörterung der Chancen einer Wirtschaftsform ohne Wachstumszwang taugt. Wir können hier wirklich etwas vom Wasser lernen! Mehr ruhiges Abwägen ist wünschenswert auch in der Diskussion um die ökologische Sinnhaftigkeit von Staudamm-Projekten. Wasserkraft ist eine 100%ig nachhaltige Energiequelle und in Gebirgsregionen, aber auch in Flusskraftwerken seit langem erfolgreich im Einsatz. Trotzdem gibt es bspw. in den USA den ständig hin und herwogenden Streit zwischen den beiden Bewegungen „Save the Dams!“ und „Free the Rivers!“. In Europa ist es die staudammkritische Aktion „Blue Heart of Europe“, die heute in mehreren Balkanländern den gängigen Fortschrittsglauben auf den Prüfstand stellt. Die im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik der Roosevelt-Regierung („New Deal“) in den 1930er Jahren begonnenen Mega-Staudammprojekte an Tennessee und Colorado haben mit der Zeit zu Problemen wie Sandmangel – da kein Sand mehr angeschwemmt wird – und Minderung der Bodenqualität an den Unterläufen der Flüsse geführt. Mit Fischtreppen muss der Laichmöglichkeit zahlreicher Fischarten künstlich nachgeholfen werden, und sogar in ihrer Funktion als Speichermedium für überschüssig produzierten Strom durch Hochpumpen des Wassers werden Staudämme und -seen heute mehrheitlich hinterfragt.

Hin zu einem umweltverträglichen Wirtschaften mit menschlichem Maß

Für einen guten Umgang mit Wasser – und dieser kann und sollte uns Programm und Handlungsoption sein für eine Postwachstums-Transformation, s.o. – brauchen wir
  • Eine gute, gemeinwohlorientierte Wasserwirtschaft und -versorgung, die das Wasser als unser lebenswichtigstes Element erkennt und würdigt
  • eine Reduktion des Flächenverbrauchs weltweit, durch die auch der Wasserverbrauch wieder ins Gleichgewicht zurückfinden kann
  • damit zusammenhängend die Korrektur einer falschen Landwirtschaft in Richtung einer Abkehr von monokulturellen Großflächen zur lebendigen Kleinteiligkeit von „Small is beautiful“
  • einen Stopp und die Rückabwicklung aller Privatisierungen, die verschleiernde Gewährungen von Entnahmerechten und Umkehrungen der Wasserrechte sind.
Positive Nachrichten: die Menschen weltweit haben gemerkt, welchen Schatz sie mit dem Wasser vor Missbrauch schützen müssen. Die Widerstände haben sich, teilweise erfolgreich, formiert: das Engagement des Stuttgarter Wasserforums um seine Gründer Werner Weber, Barbara Kern und Jens Loewe bspw. schaffte es, 2010 den Stuttgarter Gemeinderat mit einem Bürgerbegehren dazu zu bewegen, die 2002 an die EnBW abgetretene öffentliche Wasserversorgung zu rekommunalisieren. (Anm.: Ein sich anschließender, mehr als ein Jahrzehnt währender Rechtsstreit um überhöhte Rückkaufpreisforderungen der EnBW löste sich 2022 mit einem Konzessionsvertrag auf. Er sieht eine 75%-Beteiligung der Stadt Stuttgart vor und ebnet den Weg für eine vollständige Übernahme durch die Öffentliche Hand bis 2042.) Die kleine Schweizer Gemeinde Samedan konnte 2008 per Volksentscheid verhindern, dass ihre Wasserquell- bzw. Entnahmerechte an Coca Cola fielen (2). Und auch in den Vereinten Nationen ist man aufmerksam geworden: die 2015 zeitgleich mit dem Pariser Klimaabkommen beschlossenen 17 Nachhaltigkeitsziele („SDG´s“) befassen sich gleich zweimal – Nr. 6 „Sauberes Wasser für alle Menschen“ und Nr. 14 „Schutz des Lebens unter Wasser“ – ausführlich mit dem Thema. Wieviel wichtiger und besser wäre es doch, das zur Verfügung stehende knappe Gut Wasser gemeinsam, sparsam, partizipativ und in gerechtem menschlichem Maß an den jeweiligen Bedarf angepasst sich gegenseitig „zuzumessen“ und zu verwalten – statt einem „Weiter So“ mit der Fahrlässigkeit beim Umgang mit Wasser. Visionäre haben das zu allen Zeiten erkannt. Der französische Ethnologe und Dokumentarfilmer Jean Rouch hat sein Leben lang die ausgeklügelte Wasserkultur indigener Bevölkerungen in Mali, Niger und dem übrigen Westafrika bewundernd erkundet und festgehalten (Film „Madame l´Eau“ 1992). Oder der französische Schriftsteller Jean Giono, der 1953 die ermutigende Geschichte vom „Mann, der Bäume pflanzte“ erzählte, der in ausgedörrten Teilen der Provence flächendeckend Baumsamen eingrub, deren Keimen und Wachstum mit der Zeit dafür sorgte, dass es wieder Wasser in den Brunnen gab und die Menschen in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Menschen haben dem Wasser auch immer mit einer Dankbarkeitskultur ihren Respekt erwiesen, haben sich Wasser-Gottheiten (-Numina) vorgestellt und geschaffen, deren Einfluss sie die segensreichen Wirkungen des Wassers zuschrieben. Insbesondere aus den mittel- und südamerikanischen Maya- und Inkakulturen kennen wir das damit zusammenhängende, in unseren Blogbeiträgen schon öfter erwähnte Prinzip des „Buen Vivir“, das ein viel mehr durch Glück als durch Reichtum ausgezeichnetes, im menschlichen Maß verwurzeltes Gutes Leben für alle entwirft.

Nachdem eine Krise der anderen folgt: weiter so wie gehabt?

  • Weiter mit der stetigen Erwärmung des Klimas und der Meere – was uns ein erträgliches Leben verunmöglichen wird?
  • Weiter mit dem Artensterben in den Ozeanen und Flüssen, das die Natur, von der wir leben, aus ihrem sensiblen Gleichgewicht bringt?
  • Weiter mit dem fahrlässigen Umgang mit unseren Trinkwasserreserven?
  • Weiter mit Privatisierungen, Mega-Projekten, Land- und Quellenraub hierzulande und im Globalen Süden?
  • Weiter mit den Energie- und Wasserkonzernen, die das Geld für ihre Shareholder vermehren, während Kleinbauern weltweit in die Armut abrutschen?

In unregelmäßigen aufeinanderfolgenden Beiträgen, wollen wir von der AG „Wir haben genug“ attac Stuttgart verschiedene Aspekte der aktuellen Problematik aufgreifen und zur Diskussion stellen. Beteiligt euch. Mischt euch ein. Eine andere Welt ist möglich!