AG Wir haben genug – Rückkehr zu einer verantwortungsvollen Landwirtschaft – eine Utopie?

Landwirtschaftliche Betriebe werden in Deutschland immer weniger, aber dafür immer größer. Das führt zunehmend zu fabrikähnlichen Bedingungen auf Feldern und in Ställen. Giftstoffe gelangen in unser Trinkwasser, Böden werden ausgelaugt und immer unfruchtbarer. Pestizide befördern das Aussterben vieler Tiere (Bienen, Vögel…), Gentechnik vor allem beim Tierfutter Soja ist auf dem womöglich unumkehrbaren Vormarsch. Wir Verbraucher*innen bekommen dadurch mehr und mehr bedenkliche Nahrungsmittel. Antibiotika, die unsere Gesundheit im Notfall retten sollen, werden unwirksam, weil Schweine routinemäßig damit aufgezogen werden. Das Höfesterben setzt sich fort und entzieht damit vielen Bauernfamilien die finanzielle Grundlage.

Die Lösung liegt so NAHE!

Anders als die Befürworter*innen einer industriellen, die Gentechnik vorantreibenden Landwirtschaft behaupten, gibt es alternative Wege zur Sicherstellung der Ernährung, Gerade die Landwirtschaft lässt sich besonders gut mit einer Wirtschaftsweise verbinden, die zukünftig das Leitbild aller wirtschaftlichen Tätigkeit werden kann: der regionalen Kreislaufwirtschaft. Es funktioniert so einfach: In jeder Region wird der Ernährungsbedarf der darin lebenden Bevölkerung möglichst auch dort erzeugt. Da dies umweltverträglich geschehen muss, eignet sich dafür vor allem eine naturnahe bäuerliche Agrarwirtschaft. Diese wirtschaftet mit Pflanzen- und Tierarten, die gut an die regionalen klimatischen Bedingungen angepasst sind, unter Verzicht auf Boden- und Flächenübernutzung und -schädigung. Keine Region darf mehr ihren Nahrungsmittelbedarf durch Nutzung landwirtschaftlicher Ressourcen anderer Regionen herstellen. Das bedeutet auch, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche einer Region nicht anderen Nutzungen zugeführt werden darf, wenn dadurch das regionale Versorgungsziel gefährdet würde. Rechtliche Instrumente wie die Begrenzung von Landbesitz können für den Erfolg der Strategie Sorge tragen.

Eine alte Idee – Die Regionalwirtschaft

Enthalten ist in dem Begriff ein Rückschritt von der „großen“ Welt-Wirtschaft zur „kleinen“ regionalen. Große Namen in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit wie Laotse, Rousseau, Gandhi haben den „Schritt zurück“ immer angeraten. Eine grundsätzliche, dabei rationale Vorstellung der Machbarkeit hat vor 50 Jahren E. F. Schumacher gegeben in einer Reihe von Aufsätzen, die 1973 unter dem Titel „Small is beautiful: a study of economics as if people mattered“ veröffentlicht wurden (und die seit 2013 wieder nachgefragte Neuauflagen erlebt haben). Schumacher hatte sich auf zahlreichen Reisen in die Länder Südasiens eingehend mit dem Prinzip einer „buddhistischen Ökonomie“ vertraut gemacht und über die Wechselwirkung des unterschiedlichen Entwicklungsstands von westlichen und südlichen Volkswirtschaften nachgedacht.

In „Small is beautiful“ entwirft Schumacher sein Konzept der „Intermediate Technology“ (Mittlere Technologie), für dessen Entwicklung er im Auftrag der britischen Regierung 1960 eigens eine Arbeitsgruppe gegründet hatte (ITDG, heute „Practical Action“). Die Mittlere Technologie, auch „Angepasste Technologie“ hebt sich zielbewusst von der Großtechnologie ab und nimmt für sich in Anspruch, im Vergleich weitaus geeigneter für den Transfer auf sog. Entwicklungsländer zu sein. Dabei werden Konzentrationsprozesse und die Bildung staatlicher Monopolstrukturen gleichermaßen vermieden, und die Verteilungsgerechtigkeit und Teilhabe am Besitz von Produktionsmitteln wird gefördert, weil sich alles „weniger rentiert“. Die „Produktion der Massen“ ersetzt nach einem Wort von Gandhi die Massenproduktion, sie ist arbeitsintensiv statt kapitalintensiv durch „die Klugheit der Köpfe und das Geschick der Hände“. Der angepassten Technologie begegnen wir übrigens aktuell wieder beim „Hebel der Anpassung“ an die lokalen Gegebenheiten, den die Richtlinien des Pariser Klimaabkommens neben dem verordneten Einsparen von CO2-Verbrauch vorschlagen und der über die Kooperation aller Betroffenen und Beteiligten in „Kommitees“ angesetzt wird (Markus Spörndli, in: https://www.nzz.ch/international/kenya-wie-ein-dorf-gegen-den-klimawandel-kaempft-ld.1588459).

Beispiele:
Das Paradebeispiel für Mittlere Technologie ist der Biomeiler an Stelle einer hoch technologischen, kapitalintensiven Biogasanlage. Mittels eines Biomeilers kann ein*e einzelne*r Landwirt*in durch Kompostierung Energie gewinnen. Mehrere Tonnen Biomasse werden aufgeschichtet und für die Gärung im Gärbehälter bewässert. Der Meiler kann überall aufgebaut werden, wo Biomasse vorhanden ist. Das hindurchgeleitete Wasser wird durch den Zersetzungsprozess erwärmt und kann zum Heizen verwendet werden, das freiwerdende Methan zum Kochen. Übrig bleibt Humus. Die Technik ist einfach, dezentral umsetzbar und ohne Kredit zu finanzieren. Weitere Beispiele für Intermediate Technology sind holzsparende Kochöfen in Guatemala, Biogasanlagen in Kamerun, Zuckerherstellung in Indien. (Informationen: GrAT, Gruppe für Angepasste Technologie Wien, www.grat.at)

Entlang dem Vorbild der Natur

Wachstum ist eines der wesentlichsten Prinzipien des Lebens, doch schafft die Natur in aller Regel das Austarieren eines Gleichgewichts, das alles „zu viel“ vermeidet. Landwirtschaft, als die Zivilisationstechnik, die ihr Ohr nach wie vor am nächsten am Puls der Lebensgrundlagen hat, sollte doch in der Lage sein, die Sicherstellung der Ernährung mit einer Wirtschaftsweise zu verbinden, die zukünftig das Leitbild aller wirtschaftlichen Tätigkeit werden könnte? Doch nur als Verbraucher*innen schaffen wir das nicht. Die Politik ist gefordert:

  • Eine konsequente Umwidmung aller Förderungen hin zu einer ökologischen und tiergerechten Landwirtschaft mit Maßnahmen wie besserem Grundwasserschutz, verschärftem Düngerecht, Dekarbonisierung und -industrialisierung und Reduktion von Im- und Exporten würde eine höhere Ernährungssouveränität bewirken und positive Auswirkungen auf die agrokulturelle Artenvielfalt haben
  • Die Weitergabe von altem Wissen kann uns der Umsetzung eines Lebensmodells wie des indigenen südamerikanischen „buen vivir“ näherbringen, bei dem Lebensqualität und Glück für die Beteiligten mehr zählen als Reichtum und Besitz. Die biologisch-dynamische Anbauweise wirtschaftet schon viele Jahre mit Methoden, die gesünderes Gemüse und Obst erbringen, baut Böden auf und wirft weniger weg. Schon mit der Verfolgung von Trends wie „Urban Gardening“, ganz sicher aber mit einem ernsthaften Umdenken von der Agro- zur Hortikultur, also Gartenbaukunst, wie es die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) bereits praktiziert, gelängen erste Schritte, das Wachstum der Landwirtschaft sinnvoll einzudämmen
  • Praktische Anwendung finden inzwischen bereits die Gemeinwohlökonomie Christian Felbers oder das Modell des „Prosumenten“ von Niko Paech, bei dem sich Produzent und Konsument verabreden und zur Solidarischen Landwirtschaft zusammenschließen. Solche Ansätze, die das Prinzip des „Small is beautiful“ fortsetzen, gehören intensiviert und in die Breite kommuniziert.

Unterm Strich bringt das für uns alle mehr Lebensqualität bei weniger Wachstum – „as if people mattered“ (E. F. Schumacher)!

 

  • Welche Schritte könnten darauf zu führen, wenn wir das in größerem Stil umsetzen wollen?
  • Wie lange könnte wohl eine Umwandlung dauern?
  • Welche Möglichkeiten stehen jetzt schon zur Verfügung?

Bitte beteiligt euch über die Kommentarfunktion – bitte auch mit Kritik, wenn unsere Darstellung allzu utopisch ausgefallen sein sollte!

Bildnachweis: Pixabay.com

Nach der Corona-Krise: weiter so wie gehabt?

  • Weiter mit der stetigen Erwärmung des Klimas – was uns ein erträgliches Leben verunmöglichen wird?
  • Weiter mit dem Artensterben, das die Natur, von der wir leben, aus ihrem sensiblen Gleichgewicht bringt?
  • Weiter mit dem Stress und der Hektik, den menschenverachtenden Bedingungen in der Arbeitswelt?
  • Weiter mit den wenigen Superreichen, die nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen können – und den vielen, die in die Armut abrutschen und den Armen, die immer ärmer werden?.

In unregelmäßigen aufeinanderfolgenden Beiträgen, wollen wir von der AG „Wir haben genug“ attac Stuttgart verschiedene Aspekte der aktuellen Problematik aufgreifen und zur Diskussion stellen. Beteiligt euch. Mischt euch ein. Eine andere Welt ist möglich!