AG Wir haben genug – Kann Arbeiten auch anders gelingen? Arbeitsverhältnisse neu denken

Was wollen wir unter Arbeiten verstehen?

Gefällt uns, wie die meisten Menschen in unserer optimierten Industriegesellschaft arbeiten müssen: unter immer mehr Arbeitsdruck, Hetze, der Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren?

Die Lohnarbeit, wie wir sie kennen, galt und gilt für Unternehmen wie für Arbeiter*innen über einen langen Zeitraum als unausweichlich, um den Mehrwert (Gewinn) für die Unternehmer*innen zu erzielen. Für die kapitalistische Wirtschaftsform mit ihrer Forderung nach stetigem Wachstum ist die Lohnarbeit eine wesentliche Grundlage. Sie ist Voraussetzung und damit definitiv Treiberin des Immer mehr, Immer weiter. Doch sollten wir diese Vorstellung als einzig mögliche akzeptieren? Vorausgesetzt wir stellen uns den Tatsachen und dem, dass die Ressourcen der Erde irgendwann zu Ende gehen, dass wir in dem durch unsere Technologien erhitzten Klima nicht werden leben können und auch unseren übermäßig produzierten Müll nicht mehr irgendwo loswerden, können wir dann einfach ein Weiter so praktizieren? Wenn wir eine Wachstumsumkehr wollen, wäre es notwendig, neu zu definieren, was Arbeit überhaupt ist. Unser seitheriger Begriff von Arbeit erscheint heute von gleich mehreren Seiten in Frage gestellt.

Ins Wanken gekommene Gewissheiten

Erinnern wir uns: Die Entstehung der menschlichen Zivilisation beruht biologisch gesehen auf der Arbeit mit der Hand. Dies brachte den Menschen Selbstbewußtsein, Selbststeuerung, Autonomie, Befriedigung, stetige Erweiterung ihrer Kenntnisse, Fortschritt. Wegen der nun aktuell zu erwartenden weiteren Umstellung auf Robotik und Digitalisierung wird die herkömmliche Arbeit per Hand zunehmend überflüssig, und uns wird von Wissenschaftlern überdies ein Wegfall der Mehrzahl der Arbeitsplätze prognostiziert. Dies bedeutet die Wegnahme wichtiger menschlicher Eigenschaften und den Verlust wesentlicher Bedingungen des Selbstwertgefühls der Menschen. Doch wir müssen uns darauf einstellen, dass es immer weniger Beschäftigte geben wird. Rahmenbedingungen wie Gewerkschaftsvertretung oder Sozialpartnerschaft werden sich wahrscheinlich damit einhergehend grundlegend verändern. Das Gegensatzpaar Arbeitgeber / Arbeitnehmer wäre zunehmend aufgehoben. Als Antwort auf den abnehmenden Bedarf an Arbeitskraft und diese „Entmündigung“ der Menschen wird schon seit den 1960er Jahren anstelle von Entlohnung zunehmend das Modell des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) in Betracht gezogen.

Der Weg zur Autonomie

Doch wie könnte angesichts dieser Entwicklung eine von wirklicher Autonomie der Betroffenen und Handelnden selbstbestimmte Reaktion aussehen? An erster Stelle der Agenda/Handlungsmöglichkeiten in dem bevorstehenden Transformationsprozess steht für den „vormaligen Arbeitnehmer“ sicher, sich die Produktion wieder anzueignen. Die Wiederaufwertung der Hand und ein Zurückfahren der Digitalisierung aus den genannten Gründen müssten dabei zusammengehen. Alle am Arbeitsprozess Beteiligten brauchen gleichberechtigten demokratischen Zugang. Ein wichtiger Bestandteil des Lohns kann die Zufriedenheit sein, messbar daran, dass etwa keine (kurzbemessene) Flucht aus dem Arbeitsalltag in Form von Urlaub mehr nötig wäre, aber auch, dass bspw. der Entschluss zu einer Krankmeldung der Selbsteinschätzung der Betroffenen überlassen bleiben darf.

Mit dem Anspruch auf Teilhabe an dem, wie Weiterentwicklung der Produktion aussehen soll, bewegen wir uns schnell tief in der Eigentumsfrage. Wie kann bei veränderter Auffassung von Arbeit und Kapitaleinsatz die Kreativität und die Fantasie für Innovationen in der Produktivität bewahrt bleiben? Nach wie vor ist natürlich ein Unternehmertum im besten Wortsinn Voraussetzung für die Weiterentwicklung oder Neuerfindung eines Produkts, zu dessen Realisierung dann die Produktivfaktoren zusammengestellt werden müssten. Auch der Profit des „vormaligen Arbeitgebers“ äußert sich dann neben dem Anrecht auf die nötigen Aufwendungen für seinen Lebensunterhalt idealerweise in der Zufriedenheit mit dem nach seiner individuellen Idee mit anderen gemeinsam Hervorgebrachten. Ein Maßstab für die Bewertung der Zufriedenheit beider, des vormaligen Arbeitgebers und -nehmers, könnten die Kriterien der Gemeinwohlökonomie, die an der Zufriedenstellung der Gemeinschaft ausgerichtet ist, sein.

Wie können in einem solchen neuen Wertezusammenhang Neuschöpfungen von sinnvollen Produkten entstehen? Es braucht die Gleichsetzung der Faktoren geistige und manuelle Arbeit und die Bereitstellung von Geldern. Es braucht eine Wirtschaftsdemokratie, die gemeinsam Trends und Chancen auslotet, mit Augenmaß die Grenzen des Projekts zumisst und nach einem Subskriptionsmodell, d. h. dem Vorschießen von Geld bei gleichzeitiger Garantie einer späteren Abnahme des Produkts, das Kapital einsammelt – auch hier ist schon vieles vorgedacht von Gemeinwohlökonomie und Solidarischer Ökonomie. Dabei werden Großprojekte an die kommunalen Ebenen delegiert und darauf geachtet, dass in möglichst kleinen Einheiten produziert wird. In einem nächsten Schritt wird der Grad an eingebrachter Leistung der einzelnen bemessen, festgelegt und beschlossen. Ziel ist, in den einzelnen Beteiligten einen Begriff von Beruf als Berufung wieder zu verwurzeln, die sich zufrieden zeigt, das herstellen zu können, was die anderen brauchen. Was auch ein Gradmesser für wachstumsfreie Nachhaltigkeit wäre.

Freude am Arbeiten: selbstbestimmt und erfüllend statt entfremdet, entwertet und sinnlos.

Unsere Fragen:

  • Arbeitserleichterung durch Mechanisierung/Digitalisierung ist wünschenswert. Wie weit wollen wir aber damit gehen?
  • Wenn Arbeit auch „Spaß machen“ soll: welche Arbeit und für wen? Wie wäre das zu erreichen?
  • Was ist Zufriedenheit? (Tipp: Konzept des „Buen Vivir“)

Wir interessieren uns für eure Meinung. Bringt euch ein! Am besten über unsere-Kommentar-Box unten.


Bildnachweis: Pixabay

Mit der neuen Regierung: weiter so wie gehabt?

  • Weiter mit dem Stress und der Hektik, den menschenverachtenden Bedingungen in der Arbeitswelt?
  • Weiter mit den wenigen Superreichen, die nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen können – und den vielen, die in die Armut abrutschen und den Armen, die immer ärmer werden?…
  • Weiter mit der stetigen Erwärmung des Klimas – was uns ein erträgliches Leben verunmöglichen wird?
  • Weiter mit dem Artensterben, das die Natur, von der wir leben, aus ihrem sensiblen Gleichgewicht bringt?

In unregelmäßigen aufeinanderfolgenden Beiträgen, wollen wir von der AG „Wir haben genug“ attac Stuttgart verschiedene Aspekte der aktuellen Problematik aufgreifen und zur Diskussion stellen. Beteiligt euch. Mischt euch ein. Eine andere Welt ist möglich!