AG Wir haben genug – Eine bedingungslos gute Idee, die nur gedacht werden muss – Außerhalb von: „Nur wer arbeitet, soll auch essen“
Viele müssen um ihren Arbeitsplatz bangen. In der Industrie werden immer mehr Menschen durch Maschinen ersetzt (Roboting, Digitalisierung), in den Verwaltungen, im Gesundheitsbereich, Bildungsbereich und mehr. Und für viele andere Berufe gilt: Es wird Personal eingespart. Wie aber sollen die Menschen leben ohne Einkommen, wenn es so kommt, wie neoliberale Stimmen schon zu Zeiten von Maggie Thatcher vorhergesagt haben – selbst wenn es nur annähernd so schlimm kommt – dass nur noch ca. ein Drittel der Menschen eine sichere Vollzeit-Arbeitsstelle haben werden?
Die Idee
Doch es gibt durchaus eine Möglichkeit: das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Um es gleich vorweg zu sagen: nicht zu verwechseln mit dem, was derzeit „Grundsicherung“ genannt wird und für ältere oder behinderte Menschen mit zu geringem Einkommen (z. B. Rente…) beantragt werden kann. Denn „bedingungslos“ heißt: ohne seitenlangen, komplizierten Antrag, ohne X Papiere und Nachweise zu erbringen, ohne seine Bedürftigkeit beweisen zu müssen, so wie es jetzt verlangt wird auf den Ämtern, ohne sich dort zum gläsernen Bürger zu machen, denn es müssen keine Daten erhoben werden, und auch ohne seine Würde einzubüßen, wie es oftmals geschieht. Man muss nichts tun. Das Geld kommt automatisch jeden Monat aufs Konto. Für jede*n. Also ohne Bedingungen.
Das BGE kann einen bescheidenen Lebenswandel ermöglichen, ohne Angst, plötzlich die Miete nicht bezahlen und für den Lebensbedarf nicht mehr aufkommen zu können. Wer MEHR möchte, kann sich immer noch nach Arbeit umschauen, die ihm/ihr einen anderen Lebensstil ermöglicht – oder weil es ihm/ihr eben einfach Spaß macht oder weil sie/er etwas tun will – und kann damit sein/ihr Budget aufbessern. Arbeitsplätze müssen nicht unbedingt einen 8Stunden-Tag bedeuten und man muss auch dann nicht wieder Anrechnung und Kürzungen befürchten. Jede*r kann selbst bestimmen, was ihm/ihr mehr wert ist: Zeit oder Geld. Doch er/sie ist nicht gezwungen, in jedem Fall in das derzeitige Schema der Erwerbsarbeit zu passen. Die Menschen hätten einen Gewinn an Zeit, um ihr Leben zu überdenken und umzustellen auf weniger Konsum, auf ein gesünderes Leben mit weniger Ressourcenverbrauch. Was weniger Luftverschmutzung, weniger Gewässerverschmutzung, weniger Energieverbrauch, weniger Vergeudung, weniger Müll, weniger Lärm einbrächte. Was dadurch wieder Allen zugute käme. Gesellschaftlich bedeutet das ein Ende des unabdingbaren Zwangs zur sich ständig steigernden Produktivität (Postwachstumsgesellschaft). (dazu: Blog-Eintrag: Fortschritt, der zur Bedrohung wird)
Für Kleinbauern, kleine Handwerksbetriebe, Künstler, Kreative und Andere, die oftmals etwas vorfinanzieren müssen, deren Rücklagen aber knapp sind, kann das BGE durch diesen Grundstock auch eine gewisse Sicherheit bedeuten, um nicht schnell in die Insolvenz abzurutschen.
Das BGE bietet zudem eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit, Familie, Leben. Es schafft Zeit, sich einzusetzen für Gemeinschaftsaufgaben, für freiwillige Tätigkeiten, für politische Arbeit und die Weiterentwicklung der Demokratie, fürs Do-it-yourself im Garten, beim Renovieren, beim Kleider selbst nähen usw. Es bringt mehr Sicherheit, mehr Sorglosigkeit, mehr Teilhabe, mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung und Flexibilität für den/die Einzelne*n, mehr Würde, Selbstbewusstsein und Emanzipation. Für die Gemeinschaft wäre der Gewinn ein besseres Leben miteinander.
Das geht doch nur auf dem Papier – oder?
In Deutschland gibt es derzeit schon einen laufenden Versuch, den einfallsreiche Leute gestartet haben. Sie sammeln Geld ein über Crowdsourcing / Fundraising. Damit ermöglichen sie Menschen für 1 Jahr an diesem Versuch teilzunehmen. Man kann sich bewerben, die tatsächlichen Teilnehmer werden per Los ermittelt. Die Menschen, die mitgemacht haben, äußern sich im Nachhinein meist sehr positiv über diese Zeit. Das Nachlassen an Druck bewirkt bei Vielen einen Kreativitätsschub, lenkt das Leben in neue Bahnen. Das Projekt läuft bereits 3 Jahre. (Leider ist nach neuester Information der Versuch derzeit vorübergehend gestoppt. Googelt einfach immer mal wieder danach.)
In Namibia, Afrika gab es 2008/2009 ein Pilotprojekt (Mindestnahrungseinkommen), das aus machtpolitischen Gründen wieder eingestellt wurde. Hier sicherte es den Ärmsten das Überleben ohne Hunger. Doch auch der Schulbesuch von Kindern stieg, kleine Geschäfte entstanden, die Wohnmöglichkeiten verbesserten sich, Frauen waren weniger abhängig. Am meisten empörte es die Menschen, als die Regierung dagegen entschied, dass ihnen dadurch wieder ihre Würde genommen wurde. (in: Werner Rätz, Dagmar Paternoga „Zukunftsmodell Grundeinkommen?“ attac-Basistext)
Inzwischen gibt es auch einzelne Politiker, die über ein Leben, das nicht nur auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, nachdenken, die das BGE eine gute Idee finden und es durchaus für umsetzbar halten.
Woher soll das Geld dafür kommen?
Schon 1967 brachte Erich Fromm die Idee des BGE in die öffentliche Debatte ein. Verschiedene Fachleute aus der Wissenschaft, NGOs und den Unternehmen haben schon ab ca. 2000 für die Umsetzbarkeit des BGE unterschiedliche Modelle konzipiert und durchgerechnet. Manche Modelle möchten z.B. 1 % Gewinnsteuer für die Superreichen wieder einführen (das war bis 1988 der Fall und wurde dann abgeschafft). Andere Tüftler und Denker für das BGE plädieren für eine Steuer auf hohe Einkommen und Unternehmensgewinne, Andere für eine einmalige Vermögensabgabe (Vermögen ab 1 Millionen €). Wieder Andere möchten das BGE über eine deutlich erhöhte Mehrwertsteuer auf alle Artikel und Dienstleistungen finanzieren. (in: „Zukunftsmodell Grundeinkommen?“ attac-Basistext)
Auch Kombinationen verschiedener Modelle sind denkbar. Viele eingesparte Gelder aus den abgeschafften Stellen, Räumlichkeiten oder Ausstattungen der Ämter (Job-Center, Arbeitsamt, Sozialamt), die nicht mehr benötigt würden, könnten in die Finanzierung des BGE einfließen. Wir können sehen: Das geht tatsächlich. In Deutschland leben die meisten Superreichen innerhalb Europas! Kein Wunder: Hier bezahlen die Reichen am wenigsten Steuern, nämlich nur ein Bruchteil dessen, was sie woanders bezahlen müssten. Wir können davon ausgehen, dass sie es natürlich in der Mehrzahl auch sind, die dieses ungerechte, toxische System beibehalten wollen.
Der Gerechtigkeit sollte Genüge getan werden. Oder soll den Reichen mit dem BGE noch zusätzlich Geld geschenkt werden? Am Jahresende wäre bei Einführung des BGE das Geld ab einer festgelegten Einkommens- und Vermögensgrenze teilweise oder ganz an den Staat zurückzuzahlen. Zu prüfen ginge das ganz einfach über die Steuererklärung, die sowieso jede*r einmal im Jahr abgeben muss. So unser Vorschlag.
Wenn wir in Zukunft ein lebbares Leben haben wollen, dürfen wir uns nicht scheuen vor einer umwälzenden Umorientierung.
Sollte es sich für den Gewinn an Lebensqualität nicht lohnen?
Wie ist eure Meinung? Würde das BGE die Menschen nicht einfach faul machen?
- Was denkt ihr, wie könnte sich das BGE für euch persönlich auswirken? Was würdet ihr tun mit dem Geld des BGE?
- Könnte die Einführung des BGE uns dem Klimaziel 1,5° näherbringen, weil dann möglicherweise weniger gearbeitet und deshalb auch weniger produziert würde?
- Wir sind interessiert an eurer Meinung. Bringt euch ein! Am besten über unsere-Kommentar-Box unten
Mehr zum Bedingungslosen Grundeinkommen gibt’s auch im nächsten Beitrag. Lest weiter. Seid gespannt.
Das Klima, Corona, der Russland-Krieg gegen die Ukraine… Einer Katastrophe folgt nonstopp die nächste. Jetzt „Weiter-so“?
- Weiter mit dem Stress und der Hektik, den menschenverachtenden Bedingungen in der Arbeitswelt?
- Weiter mit den wenigen Superreichen, die nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Geld anfangen können – und den vielen, die in die Armut abrutschen und den Armen, die immer ärmer werden?…
- Weiter mit der stetigen Erwärmung des Klimas – was uns ein erträgliches Leben verunmöglichen wird?
- Weiter mit dem Artensterben, das die Natur, von der wir leben, aus ihrem sensiblen Gleichgewicht bringt?
In unregelmäßigen aufeinanderfolgenden Beiträgen, wollen wir von der AG „Wir haben genug“ attac Stuttgart verschiedene Aspekte der aktuellen Problematik aufgreifen und zur Diskussion stellen. Beteiligt euch. Mischt euch ein. Eine andere Welt ist möglich!